Kunst und Musik in Thorwal

Die bildenden Künste wie Bildhauerei und Malerei auf Leinwand sind in Thorwal weitgehend unbekannt, hier gibt es keine Gemälde oder Statuen bedeutender Personen, denn diese leben stattdessen in den Sagas der Skalden weiter und – seltener – auf Runensteinen. Auch Gjalsker kennen Kunst nur als Form der Verzierung von Alltagsgegenständen.

Die weitaus größere Rolle in der thorwalschen Kultur spielt die Musik. Dabei ist Instrumentalmusik so gut wie bedeutungslos im Vergleich zum gesungenen Lied und kommt am ehesten in Form von Flötenmusik vor.

Üblicherweise werden gesungene Lieder nicht instrumental begleitet. Häufig wird einstimmig gesungen, aber gerade aufeinander eingespielte Gemeinschaften haben auch großen Spaß an mehrstimmigen Gesängen.

Die Lieder handeln oft von der Arbeit, die gerade verrichtet wird und der Rhythmus, den die Lieder vorgeben, hilft bei der gleichmäßigen und gemeinsamen Tätigkeit wie etwa beim Rudern oder beim Bedienen der Taue auf einem Schiff. Beliebt sind auch Sauf- und Rauflieder, die dem gleichen Rhythmus der Zweier- oder Vierertakte folgen wie die Arbeitslieder, weshalb die ausgelassenen Tänze der Nordleute eher gemeinschaftliches Stampfen, Klatschen und Klopfen sind. Lediglich Wiegenlieder ahmen im Dreivierteltakt die sanften Bewegungen des Meeres nach.

Die magisch begabten Sangara (Zauberbarden) können zwar auch musizieren, doch singen sie stets, wollen sie ihre Götter ehren und deren Macht herbeirufen. Die Sagas, die sie vortragen, handeln nicht von Heldentaten der Ahnen oder Swafnir, sondern meist vom hinterlistigen Ögnir und der Erdriesin Sumu, als deren Boten sie sich verstehen. Auch im Gjalskerland schätzt man Musik, allerdings sind die Möglichkeiten hier noch begrenzter. Abgesehen von Rhythmusinstrumenten wie Trommeln kennt man hier keine Form der Instrumentalmusik, gesungene Lieder sind abseits zeremonieller Zwecke weitgehend unbekannt.

Dafür erzählt man sich Geschichten am Feuer, die zwar nicht so ausgefeilt sind wie die Sagas der Thorwaler Skalden, dafür aber mit viel Herzblut und mitreißend erzählt werden.


Die Sagas der Skalden

Die bei weitem wichtigste Kunstform in Thorwal ist die der Sagas und Heldensänge der Skalden. Diese werden von ihnen gesprochen oder gesungen und, wenn überhaupt, üblicherweise nur mit einer Leier oder Streichleier begleitet. Manchmal spielt aber auch jemand anderes zur Untermalung die Trommel dazu. Alltagslieder stammen zwar nur selten aus der Feder von Skalden, doch natürlich sind sie auch versierte Musiker und Sänger. Wichtiger als die musikalische Gestaltung sind die verschiedenen Stilmittel, die sich herausgebildet haben. Darunter sind besonders die Kenningar und die Heiti zu erwähnen. Bei ersteren handelt es sich um poetische Umschreibungen aus einem Grundwort und einem Bestimmungswort.

Bewahrer (Grundwort) der Ahnen (Bestimmungswort) wäre also ein Skalde selbst, die wogende (Bestimmungswort) Heimstatt (Grundwort) wäre die Otta. Die Heiti sind Metaphern, die besonders eingesetzt werden, um Namen von Göttern, Herrschern, Heldinnen und finsteren Wesen, aber auch Naturgewalten zu ersetzen. Der Tapfere ist ein Heiti für Swafnir, die Zerstörerin für Hranngar.

Endreime, wie man sie aus mittelreichischen Liedern kennt und wie sie auch in thorwalschen Trinkliedern vorkommen, verbreiten sich durch den Einfluss aus dem Süden zunehmend, nachdem sie lange Zeit als minderwertig galten. Häufiger werden Stabreime verwendet.

Das bedeutet, dass betonte Silben den gleichen Anlaut haben. Gelegentlich kommen auch Binnenreime vor, bei denen sich zwei Wörter innerhalb einer Zeile reimen.

Gemeinsam mit den Versmaßen ergeben sich verschiedene Arten der Dichtkunst, die alle eigene Namen haben. Als besonders anspruchsvolle Hochform der Skaldendichtung gilt das Ifirnskvaett (Ifirns Atem). Eine Strophe besteht aus acht sechssilbigen Halbzeilen mit unbetonter Endzeile, einem Anvers aus zwei Stäben und einem Abvers mit einem Stab auf der ersten betonten Silbe, dazu in jedem Halbvers einen Binnenreim.

Firunislag (acht zweihebige Halbverse), Hvalahatter (fünfsilbige Verse) und Ljodruna sind weniger anspruchsvoll. Neben den eigentlichen Sagas werden gegen Geld auch Preislieder verfasst, um die Taten einer noch lebenden Person zu rühmen. In Ahnenliedern wird jedem Vorfahren eine eigene Strophe gewidmet. Sogar Liebeslyrik wird von Skalden verfasst.

Ein Skalde ist nicht ausschließlich ein Unterhalter, der seinen Zuhörern eine gute Zeit beschert, sondern sorgt mit den Sagas, die er vorträgt, dafür, dass die Geschichte des thorwalschen Volkes nicht in Vergessenheit gerät.